A beautiful life oder Immer wieder Sonntags


Stück für eine Frau und einen Manfred
(frei nach „Nichts Schöneres“ von Oliver Bukowski)

Co-Produktion mit dem Studio Theater Stuttgart, gefördert vom Fonds darstellende Künste und bisher unter anderem gezeigt beim Figurentheaterfestival Wels (A), beim Festival der privaten Theater Freiburg, beim iranisch-deutschen Festival Heidelberg

Dauer: 80 Minuten plus Pause

Inhalt:
Sonntags Nachmittags deckt sich Lieselotte Damaschke, genannt Lilo, immer besonders liebevoll den Tisch.
Beim Kaffeetrinken redet sie sich warm, erzählt von ihrem Leben und davon, wie sie es gerne hätte. Von Unterwäsche und von der weiblichen Intuition. Von ihrer Mutter, der schon mal der Herr Jesus am Bette gestanden ist. Von ihrem Vater, der Leichen schön geschminkt hat, damit sie von den Hinterbliebenen beschaut werden können.
Sie heult, sie kichert, sie bekommt die Wut – weil der Therapeut keinen Spaß versteht. Weil der Bewährungshelfer – „knackig wie ’ne verkochte Gurke“ – ihr die Tour vermasselt hat. Weil die Nachbarin, die olle Blaschke, in ihre Privatsphäre „hineinoperiert“.
Und sie träumt: Weil ein Student mit einem Brillchen ihr den Hof macht. Und Gedichte schreibt! Für den gibt sie gern ihre „glamuröse Balangse“ auf.
Bei all dem hat Lilo einen Gast mit am Tisch sitzen: ihren Gatten Manfred, der an der ganzen Zeremonie allerdings etwas derangiert teilnehmen muss.
Als Boxer nannten sie ihn früher den „Hammer von Denkendorf“, doch Lilo hat dafür gesorgt, dass Manni pariert!
Sie muss nun nicht mehr fürchten, dass er ihr die Würde nimmt.
– Die Sache mit Manfred, das ist ihr ganz besonderes Geheimnis.

Spiel: Suzan Smadi
Regie: Cornelius Gohlke
Figurenbau: Stefanie Oberhoff + Lambert Mousseka

Technik: Kann bis 80 Zuschauer ohne Podest gespielt werden. Bühnenfläche: 5m x 4m (4m x 3,50m auch möglich); normale Raumhöhe.

Das meint die Presse

Manni aus der Handtasche

Tüttelig und nostalgisch wirkt das alles, diese Korbstühle, die Sechziger-Jahre-Kaffeekanne und die omahafte Aufmachung der Dame mit dem rosa Käppchen. Doch Lieselotte Damaschke , im Studiotheater gespielt von Suzan Smadi, hat es faustdick hinter den Ohren. Denn die Dame schwer schätzbaren Alters – sie selbst nennt sich eine „erfahrene Frau“ – hüpft ganz locker mit einem Studenten ins Bett. „Immer wieder sonntags“ heißt das Einpersonendrama von Christian Holl, das eine freie Bearbeitung des Stücks „Nichts Schöneres“ von Oliver Bukowski ist.

Lilos neunzigminütige Suada ist schockierend, witzig und komisch, alles dies in stetigem Wechsel. Manfred, der verblichene Gatte der Dame, existiert nur noch als mauliges Handpüppchen (Figurenbau: Stefanie Oberhoff und Lambert Mousseka). Lilo reißt den stark verkleinerten „Manni“ aus der Handtasche und imitiert seine versoffene Stimme. Ein Ekel war er, und daher hat Lilo ihn um die Ecke gebracht. Sechs Jahre Haft hat sie dafür bekommen.

Amüsant und schräg ist es, wie Suzan Smadi im Studiotheater als Lilo von der Therapie mit Knete und einem windelweichen Bewährungshelfer schwadroniert. Schön, wie sie die Brüche und Facetten der Figur ausspielt, ihr geziertes Getue, aber auch den knochentrockenen Jargon. Lilo spitzt den Mund zum Kaffeetassenrand, doch gern behandelt sie in „Immer wieder sonntags“ auch das Thema Oralsex, oder bekennt auf der Bühne freimütig, ihren Manfred in den Häcksler gesteckt zu haben.

Das alles ist so grotesk, wie Fiktion sein darf, Suzan Smadi schafft es jedoch, der Lilo Glaubwürdigkeit zu verleihen. Als Darstellerin der Lilo kriegt sie eine schön gruselige Figur hin. ‚Schaut her, solche Menschen gibt es!‘, sagt dieser sehenswerte Abend (Inszenierung: Cornelius Gohlke).

Charmante Mörderin

Sie sitzt am Tisch, verzehrt Torte, an den Wänden hängen Fotografien verstorbener Pudeldamen, die königliche Namen tragen, unterm Tisch steht die Likörflasche. Sie schenkt sich noch mal ein. Sie kichert, trippelt mit den Füßen, lästert, kokettiert, manchmal frivol, manchmal unschuldig. Im Grunde ist die Geschichte der Lilo eine tragische Geschichte: auf der Bühne des Studio Theaters schlingt sie Schlagsahne in sich hinein und berichtet heiter, wie sie ihren Gatten, den groben Manni in den Häcksler schubste und als verurteilte Gattenmörderin Gefängnis, Therapie, Psychiatrie und Resozialisierung durchlief. Sie erzählt von ihrer Arbeitslosigkeit und ihren Versuchen, in eine Beziehung zurückzufinden.

Lilo ist komisch in ihrer Tragik, die Schauspielerin Suzan Smadi gibt der mörderischen Plaudertasche ein charmantes Gesicht. Immer wieder Sonntags“, das Stück (…) hält meisterhaft diese Balance. Regie führte Cornelius Gohlke, von dem auch die musikalischen Motive stammen, für die Ausstattung sorgte Suzan Smadi selbst.

Und Manni, so tot er auch sein mag, führt ein lautstarkes Nachleben als zottelige, dickwanstige Handpuppe, die in Lilos Tasche haust.

Leben zwischen Träumen und bitterer Realität

„immer wieder sonntags“ im Studio-Theater als feine Milieustudie
Cornelius Gohlke hat für dieses Ein-Frau-Stück Suzan Smadi an einen Kaffee-tisch gesetzt. Es ist Sonntagnachmittag und Lilo Damaschke, geborene Grabowski, hat sich das Tischchen gedeckt. Und bei Kaffee und Klosterfrau Melissengeist beginnt sie zu erzählen. Von der Kindheit und der Jugend, von ihrem Gatten Manni, der Preisboxer war, der „Hammer von Großdenkendorf“. Und weil er auch sie schlug, landete er eines Tages in einem Häcksler, Lilo für sechs Jahre im Knast.

Und nun sitzt er mit am Tisch, als kleine Puppe, gestaltet von Sefanie Oberhoff und Lambert Mousseka, die aber immer wieder die Stimme erhebt, ein Bier fordert, die Darstellung seiner Gattin kommentiert und korrigiert. Denn Lilo lebt auch in Träumen, nicht nur vom Studenten, der ihr Gedichte schreibt und auch sonst Hand an sie legt, auch das Leben als Ganzes ist eine Welt zwischen Realität und Traum.

Ein Panoptikum der kleinen Leute, „Milljöhmäßig“ auch sprachlich wunderbar dargestellt, schafft es Suzan Smadi wie selbstverständlich, die 80 Minuten zu füllen, zu erfüllen. Trotz sparsamer spielerischer Möglichkeiten, die ein solcher Monolog nun mal lässt, oder gerade auch, weil sie diese Sparsamkeit nutzt, wird ihre Figur ungemein lebendig, griffig und gleichzeitig auch mit milder Ironie wider sehr entfernt in ihren Traumwelten.

Und dieses Hin- und- Her bietet sehr viel Reiz, zeigt, wie manches Leben nur durch Träumereien auszuhalten ist. Anders als dieser Abend, der ganz real ein Gewinn ist.

Lügenbaronin

Das sieht nicht gut aus. Pudelfotos im Schnörkelrahmen, Berge von Boulevardblättern und eine stattliche Likörflasche auf dem abgelatschten Perserteppich. Hier ist das Reich von Liselotte Damaschke, geborene Grabowski, die kunstblond unterm rosa Turban mit Tupfenkleid und Perlenklunker sich selbst erfindet. In einem einzigen Redeschwall mischen sich im Melissengeist-Rausch Dichtung und Wahrheit mit einem kräftigen Schuss Yellow Press.
Es ist Sonntagnachmittag und Lilo verwandelt ihr Wohnzimmer in ein Cafe. Sie ist Gast und Bedienung in einem, als Begleitung hat sie ihren Gatten Manni dabei, den sie schon längst in die Tasche gesteckt hat. Und das wortwörtlich – der Ex-Profiboxer darf als Handpuppe aus ihrer Ledertasche lugen und freche Sprüche machen. Der alte Quälgeist ist schon lange tot – nach jahrelangen kleinen und großen Grausamkeiten hat sie den Gatten einfach „sauber durch den Häcksler“ gejagt. Dafür gab es sechs Jahre Knast und Klapse, doch das kann eine Lilo nicht erschüttern.

Und so schwadroniert sie fröhlich über ihre neugierige Nachbarin, die „olle Blaschke“, die mit Hilfe von Wassergläsern – als Mikrofon und Stimmverstärker an die Wand gepresst – die Nachbarn ausspioniert. Oder von ihrem jungen Liebhaber, dem Studenten mit Rundbrille, den sie mit „ein bissel buntes Nüscht“ unter dem Morgenrock empfängt. Oder vom Psychiater, den sie schon fast an der Angel hatte. „Gute Arbeit, Lilo, und jetzt dranbleiben bis zum Standesamt“, lobt sie sich voreilig. Denn die Einladung in seine piekfeine Villa läuft ins Leere, obwohl sie vom Styling her „ein bissel auf gewagt“ gemacht hat. Schuld daran ist der Bewährungshelfer Jochen, der immer im falschen Moment zur Stelle ist. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Aus Textpassagen von Oliver Bukowskis Stück „Nichts Schöneres“ wird ein Abend komponiert, der das Spiel um Erzählen, Selbstwahrnehmung und Erfindung gegenüber der Vorlage noch steigert. Der Schauspielerin Suzan Smadi gelingt es dabei unter der Regie von Cornelius Gohlke, die unverwüstlich-deftige Frohnatur Lilo facettenreich anzulegen. Sie ist die komische Alte, die das Publikum vor Vergnügen glucksen lässt, sie ist anrührend und tragisch. Denn manchmal verstummt Lilo, wenn sie schlimmen Erinnerungen nachsinnt. Plötzlich ist da eine Stille, ein Vakuum, in das ihr gesamtes Leben zu stürzen scheint. Im Hals machen sich zerriebene Schmetterlinge breit, kratzen, kribbeln, bis sich plötzlich Lilo ein breites Lächeln ins Gesicht zaubert und sich wieder am eigenen Blondschopf aus dem Sumpf zieht. So schnell gibt eine Ururenkelin des Baron Münchhausen nicht auf.